PRESSEMITTEILUNG | 11.11.2024 | Berlin
Pressestatement des VKD zur Pressekonferenz der GDK am 11. November 2024
Die flächendeckende stationäre Versorgung der Bevölkerung ist bereits heute bedroht
Die Krankenhausreform in ihrer vom Bundestag beschlossenen Form wird die Lage nicht verbessern – sie braucht ein Update
Eine Reform des Versorgungs- und Finanzierungssystems für die Krankenhäuser ist notwendig. Das ist Konsens im Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD). Doch angesichts des vom Bundestag mit den Stimmen der Ampelparteien beschlossenen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) sind große Zweifel angebracht, dass diese Reform die notwendige Transformation im Sinne der Kliniken und der Patienten ermöglichen wird. In wesentlichen Teilen ist sie aus Sicht des Krankenhausmanagements dafür nicht geeignet. Sie braucht ein Update.
Zu hoffen ist, dass die Länderkammer die schwer fehlerbehaftete Reform in den Vermittlungsausschuss schicken wird, so dass am Ende mehr Realitätsnähe zur örtlichen Versorgungssituation und mehr Pragmatismus in das Gesetz hineinkommen und große Teile der Kontrollbürokratie aus dem Text entfernt werden. Ferner ist es nötig, umfassende sektorenübergreifende Veränderungen vorzunehmen und nicht nur den stationären Bereich in den Fokus zu nehmen.
„Es kann nicht oft genug betont werden, dass es in der aktuellen Lage nicht um Probleme einzelner Krankenhäuser geht, sondern dass hier eine ganze, elementar wichtige Branche für die Menschen wirtschaftlich extrem angeschlagen ist. Und dies nicht durch eigene Schuld oder Missmanagement. Die überwiegende Mehrzahl der 1.700 Krankenhäuser in Deutschland steckt in noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Als Vertretung der kaufmännischen Leitungen der Krankenhäuser in Deutschland sehen wir mit sehr großen Sorgen auf diese Entwicklung“ erklärt VKD-Präsident Dirk Köcher. „Auffallend war für uns, dass Kanzler und Finanzminister separate Wirtschaftsgipfel einberufen haben, als ein großer Autobauer seine Gewinnerwartung auf einen mittleren einstelligen Prozentsatz korrigierte. Dass Krankenhäuser derzeit regelhaft negative Ergebnisse schreiben, interessierte in der politischen oder der allgemeinen Öffentlichkeit anscheinend nur wenige“, so Köcher weiter. Kaum ein Träger wird kurz- wie mittelfristig mehr in der Lage sein, diese sich nunmehr im dritten Jahr hintereinander verschärfende wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser auszugleichen.
Angesichts der jetzt bereits laufenden kalten Strukturveränderungen, die empfindliche Versorgungslücken reißen, muss als allererste Maßnahme noch vor einer hoffentlich besseren Reform die wirtschaftliche Stabilisierung der Krankenhäuser erfolgen. Das bleibt die allererste Aufgabe. Ohne eine Kompensation der in den Jahren 2022 und 2023 durch die Inflation entstandenen Finanzierungsdefizite wird diese Lücke wie ein Hemmschuh beim Start in eine Transformation wirken. Kaum ein Krankenhaus wird sie aus eigener Kraft schließen können, weil die Weitergabe der Kostensteigerungen systemisch nicht möglich ist. Hier muss dringend ein Umdenken im Bundesgesundheitsministerium erfolgen.
Unsere Kritik am Bundesgesundheitsministerium auch unabhängig von allen Reformplänen bleibt zudem bestehen. So dürfen wir nicht nachlassen zu verdeutlichen, dass neben der Inflation die weitere Verschärfung der prekären wirtschaftlichen Situation durch das Bundesgesundheitsministerium und die Ampelkoalition Ende 2022 bewusst herbeigeführt wurde. Die Herausnahme der Reglung der Steigerung des Landesbasisfallwertes bei sinkender Leistung hätte die bestehende Entwicklung zumindest ein Stück weit entschärfen können. Aber auch diese Möglichkeit wurde den Verhandlungspartnern auf Landesebene durch die Verantwortlichen auf Bundesebene bewusst genommen.
„Nach wie vor öffnet sich aber auch 2024 und 2025 die Schere zwischen Kosten und Erlösen weiter. Dazu tragen v.a. weiter steigende Tarife bei. Aktuell zeigen das die enormen Forderungen des Marburger Bundes für die Ärztinnen und Ärzte bei den schwierigen Tarifverhandlungen der kommunalen Klinikträger. Und die im Oktober aufgestellte Forderung von ver.di für den nicht-ärztlichen Dienst für das Jahr 2025 zeigt ebenfalls, dass eine notwendige Zurückhaltung zur Deeskalation der finanziellen Situation der Kliniken keine Berücksichtigung findet“, erläutert der VKD-Präsident. Seit Jahren gelten die Abschlüsse im öffentlichen Dienst als Anhalt für die Lohnentwicklung in den anderen Tarifverträgen und werden somit kurzfristig alle Einrichtungen treffen.
Ein wesentlicher Kritikpunkt an der Reform, der zwingend berücksichtigt werden muss, wenn, wie wir hoffen, der Vermittlungsausschuss darüber berät, ist die Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung als einem zentralen Inhalt. Sie ist nicht, wie immer von Bundesminister Lauterbach betont, fallzahlunabhängig konzipiert. Sie führt also keinesfalls zur Entökonomisierung, sondern bedroht vor allem Häuser in ländlichen Regionen in ihrer Existenz. Diese sichern aber gerade für die dort lebenden Menschen die Gesundheitsversorgung. Über die negativen Auswirkungen dieser Fehlkonstruktion besteht kein Zweifel. Das Bundesgesundheitsministerium weiß das ebenfalls natürlich seit langem, hat die gut begründete Kritik aber ignoriert.
Klar ist jetzt bereits, dass die Bürokratiekosten durch die Reform weiter steigen werden. Zahlreiche kleinteilige Vorschriften, Anforderungen und erweiterte Abrechnungsregelungen werden einen weiteren Bürokratieschub bringen und damit auch die Kostenseite weiter belasten. Auch dem muss Einhalt geboten werden. Wenn Ärzte und Pflegende heute bereits drei Stunden täglich mit Dokumentationspflichten zubringen müssen, die häufig für die Versorgung der Patienten keinen Nutzen haben, ist das vor allem auch angesichts des Personalmangels an sich schon lange ein Skandal. Das versprochene Entbürokratisierungsgesetz wurde dennoch immer wieder vom Bundesgesundheitsminister nach hinten verschoben und wird angesichts der nun anstehenden Auflösung des Bundestags absehbar nicht mehr realisiert werden.
Dringend notwendig war aus diesen und vielen weiteren Gründen auch die lange geforderte und auch angekündigte Auswirkungsanalyse. Welche Bedeutung das Bundesgesundheitsministerium dieser Analyse zuordnet, zeigt doch bereits der Zeitpunkt der Weitergabe an die Bundesländer – nach Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag! So sieht also die seit nun fast zwei Jahren beteuerte gute Zusammenarbeit zwischen Bundesländern und BMG aus?
Welche Folgen wird das Gesetz tatsächlich haben, das zudem auf mehr Zentralisierung setzt, statt – auch dies ein wesentlicher Mangel – die unterschiedlichen Bedingungen der Bundesländer und innerhalb dieser auch der Regionen stärker zu berücksichtigen?
Nicht nur die aktuellen Probleme belasten uns als Krankenhausdirektoren, sondern auch strategische Entscheidungen, also die Notwendigkeit der Vorbereitung unserer Häuser auf die kommenden Veränderungen, fallen in dieser Lage schwer. Über die konkreten Auswirkungen der Reform und inzwischen auch die Frage, in welcher Form sie schließlich umgesetzt wird, stochern wir im Nebel. Es gibt derzeit für die Krankenhäuser keine Planungssicherheit. Und dies sehen wir weiterhin an der steigenden Anzahl an Insolvenzen. Nachdem nun klar ist, dass auch die volle Berücksichtigung des Orientierungswertes alleine für zusätzlich angekündigte Erlöse in 2025 bereits eine „Nullnummer“ sein wird, werden viele Kliniken die Fortführungsprognose neu bewerten müssen.
Bereits erkennbar ist seit 2023 die schon laufende kalte Bereinigung der Versorgungsstrukturen durch Wegfall von Standorten, Abteilungen, die Zunahme von Insolvenzen und Schließung ganzer Häuser. Das alles war bereits im Vorfeld des Reformprozesses eingepreist. Sie wird in ihrer aktuellen Form zu massiven Erlösverlusten führen, denn das Ministerium erwartet Minderausgaben in Millionenhöhe für die Krankenkassen.
Der VKD fordert daher:
- einen Inflationsausgleich für die Jahre 2022 und 2023 zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Krankenhäuser als erste und dringendste Maßnahme,
- die Nicht-Einführung der Vorhaltefinanzierung in ihrer jetzigen geplanten Form, Verstärkung der bisher bewährten Regelungen, wie etwa Sicherstellungs- und Notfallstufenzuschläge, bis eine richtige Vorhalteregelung gefunden ist,
- eine Entlastung von überflüssiger Bürokratie, die nicht nur den Fachkräftemangel verstärkt, sondern ein erheblicher Kostentreiber ist,
- Erhalt der Planungshoheit der Länder, mehr Beinfreiheit für alle regionalen Akteure, mehr Pragmatismus. Besonders in den ländlichen Regionen werden viele Akteure in 2026 überrascht sein, wenn der Medizinische Dienst die Prüfung der Leistungsgruppenkriterien abgeschlossen hat, was in der Fläche alles verloren gehen wird – und dies bei einem weiter ansteigenden Fachkräftemangel.