PRESSEMITTEILUNG | 17.11.2023 | Berlin
46. Deutscher Krankenhaustag: Viele Teilnehmer mit Sorgenfalten
Erneute Forderungen nach Vorschaltgesetz, doch Bundesminister Lauterbach erwartet kein Kliniksterben
Berlin, d. 17. November 2023. Viel Optimismus verströmten die Vertreter der Gesellschaft Deutscher Krankenhaustag zum Auftakt der wichtigsten Konferenz der Klinikbranche in Düsseldorf nicht. Das war angesichts der kritischen Lage der meisten Kliniken auch nicht zu erwarten. Vom 13. bis zum 16. November kreisten viele Vorträge und Diskussionen um Lösungsmöglichkeiten. Das Motto der Konferenz: „Zeitenwende für Krankenhäuser“. Die Lage sei brenzlig. Es müsse dringend gehandelt werden. Das forderte Kongresspräsident PD Dr. Michael A. Weber in der Auftaktpressekonferenz am 1. Tag der Großveranstaltung, die auch in diesem Jahr wieder begleitend zur weltgrößten Medizinmesse Medica stattfand.
Effiziente Strukturen seien notwendig, um die riesigen Herausforderungen zu meistern. Es bestehe eine große Veränderungsbereitschaft in den Krankenhäusern, betonte Dr. Weber, der auch Präsident des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte ist. Sie erwarteten aber von der Politik auch Antworten über die Perspektiven und Unterstützung für den notwendigen Transformationsprozess. Leider gebe es aber bisher noch nicht einmal einen Referentenentwurf für das Reformgesetz. Nichts wirklich Konkretes also.
Ein unkontrolliertes Krankenhaussterben auch systemrelevanter Häuser werde die Folge der Untätigkeit von Bund und auch Ländern sein. Diese Ansicht teilte wohl auch die Mehrzahl der Kongressteilnehmer. Sie wurde zudem unterstrichen durch eine aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI).
Aktuelle Umfrage: Die Lage ist brisant
Ein voller Inflationsausgleich sei zwingend notwendig, so Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Maßnahmen des Bundes für eine bessere Liquidität seien nicht ausreichend. Wie die aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts u.a. zeige, würden nur sechs Prozent der Kliniken erwarten, dass sich die Lage durch die Erhöhung des Pflegeentgeltwertes verbessern werde. Obwohl 23 Prozent dies durch die schnelle Zahlung der Pflegebudgets erwarteten, würden aber mehr als drei Viertel keinen positiven Einfluss auf ihre Situation sehen. Eine Folge sei, dass 23 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser ihren Leistungsumfang, z.B. durch Verschiebung planbarer Operationen, reduzieren müssten, 42 Prozent auch das Leistungsangebot, etwa die vorübergehende Schließung einzelner Stationen. 49 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser und 50 Prozent der Psychiatrien würden sich gezwungen sehen, Personal abzubauen. 90 Prozent der Kliniken sähen die nicht referenzierten Kostensteigerungen als maßgebliche Hauptursache ihrer Probleme, sogar noch weit vor dem Fachkräftemangel“, so der DKG-Präsident.
VKD-Präsident Dr. Josef Düllings forderte neben einem Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Krankenhäuser u.a. die systematische Anpassung der Landesbasisfallwerte und Psychiatrieentgelte pro Jahr an die tatsächlichen Kostensteigerungen bei den Betriebskosten und die bedarfsgerechte Finanzierung der Investitionskosten. Ermittelt werden müssten die realistischen Umsetzungskosten der Krankenhausreform und deren Finanzierung mit wissenschaftlicher Auswirkungsanalyse der Szenarien A) mit Investitionsförderung, B) ohne Investitionsförderung. Zwingend sei die Entbürokratisierung durch Abbau von Überregulierung. Die notwendige Digitalisierung müsse staatlich finanziert werden.
Lauterbachs Ziel: europäische Spitze
Die Forderung der Krankenhäuser, vieler Verbände sowie auch von Gesundheitsministern der Bundesländer nach einem Vorschaltgesetz vor der geplanten Krankenhausreform verhallte dann leider abermals ungehört. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der per Zoom zugeschaltet war, verwies u.a. auf Energiehilfen und Hilfen im Pflegebereich. Im ersten Halbjahr 2024 werde zudem die Krankenhausreform beschlossen werden. Das vielfach vorausgesagte Kliniksterben im nächsten Jahr erwarte er nicht. Es werde nur eine überschaubare Anzahl von Häusern aus der Versorgung ausscheiden.
Die Umsetzung der Reform wird allerdings mehrere Jahre in Anspruch nehmen. So sollen in 2025 und 2026 erst einmal den Krankenhäusern durch die Länder die Leistungsgruppen zugewiesen werden. Es werde an vielen Punkten „sehr genau“ gearbeitet, betonte Lauterbach, der außerdem auf die zahlreichen neuen Gesetzesvorhaben verwies, die in Arbeit sind. Es gebe erhebliche Strukturdefizite im deutschen Krankenhausbereich. Das Ziel sei aber eine Krankenhausversorgung, die in Europa Spitze sei.
Ohne Länder keine Reform
Die Sicht der Länder schilderte danach Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen. Es würde sehr helfen, sagte er, wenn wir die aktuelle Situation von der Krankenhausreform und der neuen Krankenhausplanung trennen würden. „Derzeit tut jede Insolvenz nicht gut. Man kann per Insolvenzen keine Krankenhausplanung machen.“ Es gebe eine Bundesratsinitiative für Regelungen im SGB V. Notwendig sei eine Refinanzierung der Tarifsteigerungen. Dieser Kampf müsse erst einmal geführt werden, ehe es an die Reform gehe. Er verwies auf die Erfahrungen in NRW, Das sei auch eine Basis für den Bund. Er stehe hinter jedem der 13 Punkte im Eckpunktepapier zur Reform und habe großes Interesse daran, dass man das gut hinbekomme. Es müsse aber ein Gesetz gemeinsam von Bund und Ländern sein. Da gebe es noch Luft nach oben. „Wir wollen die Macht der Länder nicht abgeben. Ansonsten gebe es keine Reform.“ Laumann verwies auf viele einzelne Problemstellungen und Fragen, die noch zu klären seien. Notwendig sei schließlich auch eine Konvergenzphase, in der das alte und das neue System parallel laufen. Einen Blindflug könne man sich hier nicht erlauben.
Spannende Themen, interessante Vorträge und Diskussionen
An den vier Kongresstagen ging es dann auch um sehr viele, sehr konkrete Fragen. Wie in jedem Jahr traf die Veranstaltung zur Finanzierung im Krankenhaus am ersten Tag auf sehr viel Interesse.
Ob die Zeitenwende für die Krankenhäuser auch eine Chance für die Pflege sei, wurde am zweiten Kongresstag eingehend diskutiert. Bereits in der Eröffnungsveranstaltung hatte Dr. Sabine Berninger, Vorsitzende des DBfK Südost und Pflegedirektorin der KjF Klinik Josefinum, Augsburg, erklärt, der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen erfordere wirksame Maßnahmen, etwa die vorhandenen und bisher brachliegenden Kompetenzen der Pflegefachpersonen zu nutzen und zu steigern und der Pflege mehr Eigenständigkeit und Verantwortung zuzutrauen. Es müsse auch eine höhere Quote akademisch qualifizierter Pflegender erreicht werden.
Am dritten Kongresstag lud der Verband leitender Krankenhausärzte zu zwei Symposien, u.a. zur Intensiv-, Notfall- und Transplantationsmedizin und zu einer politischen Podiumsdiskussion ein.
Die Positionen des VKD erläuterte am vierten Konferenztag VKD-Präsident Dr. Josef Düllings. Die Reform sei überfällig. Der VKD habe sie bereits 2019 gefordert und Prioritäten dafür vorgeschlagen. Angesichts der prekären Lage der Kliniken müsse die Politik inzwischen aber zunächst die bereits laufende kalte Strukturbereinigung stoppen. Welche Herausforderungen und Qualifikationen künftige Führungskräfte im Veränderungsprozess aus Sicht der Hochschule Osnabrück benötigten, erläuterte Prof. Dr. Julia Oswald. Zur aktuellen Krankenhausplanung in NRW sprach Wolfgang Mueller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Vestischen Caritas-Kliniken GmbH, Datteln und Vorsitzender der VKD-Landesgruppe NRW aus bisheriger praktischer Erfahrung der Krankenhäuser in NRW. Von den politischen Aussagen sei er als Praktiker vor Ort schlicht enttäuscht. Seine Prognose: „Wir müssen uns auf eine schwierige Lage im nächsten Jahr einstellen. Ich rechne mit einer Insolvenzwelle.“
Viel Interesse und gute Gespräche am VKD-Stand
Der 46. Deutsche Krankenhaustag fand auch in diesem Jahr parallel zur weltgrößten Medizinmesse Medica sowie der internationalen Leitmesse für den Zulieferbereich der medizinischen Fertigung Compamed in Düsseldorf statt. Der VKD war wieder mit einem eigenen Messestand dabei. Insgesamt konnten VKD-Geschäftsführer Dr. Jens-Uwe Schreck und seine Unterstützer – Peter Förster, ehemaliger Geschäftsführer des Westpfalz-Klinikums Kaiserslautern, seine Ehefrau Christine Förster sowie Anke Kraft, Mitarbeiterin der VKD-Geschäftsstelle – rund 160 Gäste zu interessanten Gesprächen begrüßen. Darunter auch Mitarbeiter der französischen Botschaft, die sich für den Verband und den Krankenhausbereich in Deutschland interessierten. „Wir waren sehr zufrieden mit der Resonanz auf unsere Angebote. Es wurden zudem zahlreiche individuelle Gespräche geführt“, so Dr. Schreck.
Zufrieden zeigte sich auch die Messegesellschaft mit den Ergebnissen der vier Messetage. Medica und Compamed verzeichneten eine Beteiligung von 5.372 bzw. 735 Unternehmen. Es wurden an den vier Tagen insgesamt 83000. Besucher gezählt.
Veranstaltet wird der jährlich durchgeführte Deutsche Krankenhaustag als wichtiger berufsgruppenübergreifender Kongress für die deutschen Krankenhäuser von der Gesellschaft Deutscher Krankenhaustag (GDK). An den vier Tagen wurden 1.974 Tickets für den Deutschen Krankenhaustag an Besucherinnen und Besucher vergeben. Am ersten Kongresstag haben sich 545 Zuschauer auf die Diskussionen im Livestream zugeschaltet.
Foto: Podiumsdiskussion zur Zeitenwende am vierten Tag der Konferenz: Von Links: Andreas Tyzak, Prof. Dr. Julia Oswald, Dr. Josef Düllings und Wolfgang Mueller
Quelle: VKD